Guter Jahresabschluss: Antrittsvorlesung als neuer Professor

Seit September habe ich nun eine Professur inne – etwas, auf das ich schon viele Jahre lang hin gearbeitet habe. Als Professor für Pflegepädagogik bin ich nun also hauptamtlich an der Ausbildung von Lehrenden für Pflegebildungseinrichtungen beteiligt, bin zuständig für die Anregung zur Auseinandersetzung der Studierenden mit den drei zentralen Begriffe der Erziehungswissenschaft: Erziehung, Bildung und Didaktik. Mein erstes Semesters in dieser neuen Rolle gestaltete sich recht aufregend. Dabei standen die Vorbereitung von Lehrveranstaltungen und die Gestaltung der Zusammenarbeit mit den Studierenden und den Kolleginnen und Kollegen im Vordergrund. Als guten Abschluss des Jahres habe ich dann im Dezember sozusagen meinen Einstand als neuer Hochschullehrer an unserer Hochschule gegeben: Ich lud ein zur Antrittsvorlesung. 

Dies war keine Pflicht, ich habe es mir ausgewählt. Ich empfinde die Antrittsvorlesung als ein sehr positives Ritual in der Hochschulwelt. Diese erlebe ich als sehr hektisch in ihrer eigenen Routine des Hochschuljahres. Kommt da also ein neuer Professor an, macht es Sinn, dass dieser und das mit ihm verbundene Neue bewusst wahrgenommen wird im Fachbereich, in der Hochschule. Eine Antrittsvorlesung verspricht einen feierlichen Akt, das Zusammenkommen der Hochschulangehörigen und von Angehörigen des Neuen sowie eine Vorlesung des neuen Lehrenden, in der er wesentliche Aspekte seines wissenschaftlichen Selbstverständnisses darlegt. Auf diese Weise wird nicht nur der neue Professor feierlich begrüßt, vielmehr gibt er eine Botschaft, wofür er mit seiner wissenschaftlichen Lehrmeinung steht. Die Begrüßung erfolgte hier zunächst einmal durch den Dekan des Fachbereichs und anschließend durch den Rektor der Hochschule; es ist schon eine Ehre, vom höchsten Repräsentanten der Selbstverwaltung der Hochschule gewürdigt zu werden. Dann erfolgte eine Würdigung meines bisherigen Werdegangs durch die Prodekanin des Fachbereichs Gesundheitswesen. Professorin Gertrud Hundenborn, mit der ich nun auch schon mehr als zehn Jahre in unterschiedlichen Settings zusammenarbeite und mit der ich nun auch das Lehrgebiet teile, hat hierbei besondere Worte gefunden, die sowohl die wissenschaftlichen Leistungen hervorhoben als auch meine Person.

Prof. Dr. Roland Brühe bei seiner Antrittsvorlesung
Bei der Antrittsvorlesung

Den wissenschaftlichen Teil der Veranstaltung musste dann ich liefern. Ich hatte meine Antrittsvorlesung überschrieben mit dem Titel „Crisis der Pflegepädagogik“. Damit wollte ich zum einen mein Verständnis von der wissenschaftlichen Disziplin darlegen, welche mein Lehrgebiet darstellt. Zum anderen wollte ich ausdrücken, an welchen Stellen ich problematische Entwicklungen in der Pflegepädagogik aber auch in der Pädagogik allgemein ausmache. Dabei führte ich zum einen aus, dass ich einen Gebrauch des Begriffes Kompetenz ausmache, der letztlich dem Gedanken der Vermessung und Verwertung des Menschen für wirtschaftliche Gebrauchszwecke folgt. Zum anderen ging es mir darum, meiner Sorge Ausdruck zu verleihen, dass andere Disziplinen und damit ihre Selbstverständnisse und Methoden Einzug in die Pädagogik – und damit auch in die Pflegepädagogik – halten. Dabei meine ich insbesondere die Psychologie und die Neurobiologie. Der Siegeszug dieser in gewisser Weise auf eine reduktionistische Betrachtung des Menschen basierenden Wissenschaften, der sich beispielsweise in der zunehmenden Bedeutung der sogenannten empirischen Bildungsforschung ausdrückt, kann letztlich zur Eliminierung des Pädagogischen aus der (Pflege)Pädagogik führen. Deshalb plädierte ich für eine differenzierte Betrachtung dieser „pädagogischen Trends“, damit keine leichtgläubige Übernahme vermeintlich wissenschaftlich abgesicherter Erkenntnisse erfolgt.

Ich war am Ende der Vorlesung sehr froh, dass ich meine Gedanken – entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten – in ausformulierter Form vor mir liegen hatte. Der doch aufregende Moment hätte vielleicht dazu geführt, dass ich meine argumentierenden Gedanken nicht in nachvollziehbarer Form hätte vortragen können. Und ich war froh über die überaus positiven Rückmeldungen zu meinen Gedanken. Diese erhielt ich sowohl von Kolleginnen und Kollegen als auch von Studentinnen und Studenten. Der Nachfrage entsprechend habe ich den Text meiner Antrittsvorlesung übrigens über den neuen Dokumentenserver unserer Hochschule veröffentlicht. Ich war sehr froh darüber, dass zu den Besuchern auch Personen aus meinem Freundeskreis zählten sowie Schulleitungen von Pflegebildungseinrichtungen. Es war mir wichtig, Personen außerhalb dieser in sich so oft geschlossenen Welt der Hochschule einzuladen.

Mit der Antrittsvorlesung habe ich meinen Einstand an der Hochschule gegeben. Jetzt geht die normale Arbeit weiter. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die viel Arbeit macht. Aber sie macht mir sehr viel Freude und ich bin frei in der inhaltlichen sowie methodischen Gestaltung meiner Lehre. Und diese Freiheit ist ein besonderes Gut.

(Foto: Ruth Ketzer/KatHO NRW)

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