Die große Wüstenei: Literaturverwaltung mit dem iPad

Beim wissenschaftlichen Arbeiten und Publizieren ist der Umgang mit Literatur eine Selbstverständlichkeit. Er dient der inhaltlichen Auseinandersetzung und Weiterentwicklung sowie der Legitimation innerhalb und außerhalb der scientific community. Bei einer solch zentralen Bedeutung sollte anzunehmen sein, dass die damit verbundene Arbeit durch zahlreiche Helferlein in Form von Apps auch auf für das iPad erleichtert werden kann. Das ist allerdings so gar nicht der Fall. Während es insbesondere für Windows- und Mac-Nutzer_innen mehr oder weniger nützliche und funktional umfangreiche Softwaremöglichkeiten gibt, nimmt sich das Angebot für iPads eher wie eine Wüstenei aus.

Zunächst: Was soll eine Literaturverwaltung mitbringen, damit ich sie als für mich nützlich empfinde?

  • Zunächst einmal soll sie die Eingabe der unterschiedlichen bibliografischen Daten ermöglichen. Dabei sollte nach verschiedenen Dokumentenarten unterschieden werden können (Monografie, Sammelband, Zeitschriftenaufsatz, Graue Literatur etc.).
  • Ich möchte Anmerkungen zu den Dokumenten einfügen können.
  • Dann soll sie die Auswahl eines Zitationsstils aus einer größeren Liste ermöglichen. Dabei muss die Einstellung einer bestimmten Sprache möglich sein (damit es eben Seite heißt und nicht page).
  • Zitationen einzelner Dokumente sowie ganze Literaturlisten sollten entsprechend des gewünschten Zitationsstils ausgegeben und mit anderen Apps geteilt werden können.
  • Die Gruppierung der Literatur nach Projekten o.ä. ist nützlich.
  • Die Möglichkeit, Literaturdaten mit anderen zu teilen und auch von anderen bearbeiten lassen zu können, sollte gegeben sein. Das ist für die gemeinsame Arbeit an Projekten wichtig.
  • Die Benutzeroberfläche sollte übersichtlich und die funktionale Struktur stringent gestaltet sein. Es soll ja letztlich Spaß machen, mit dem Tool zu arbeiten.

Ich verwende ein Tool zur Literaturverwaltung vor allem für die Sammlung und Organisation der für diverse Arbeitszwecke gesammelten Literatur. Zum einen will ich den Überblick behalten können, welchen Kerngedanken ich im Dokument identifiziert habe. Zum anderen will ich die vom System erstellten Zitationen in eigene Texte einfügen können. Deshalb brauche ich manche Funktionen nicht bzw. sie sind nicht so wichtig für mich: Sammlung von Zitaten, automatische Verknüpfung mit einer Textverarbeitung und Aufgabenverwaltung. Auch das integrierte Speichern, Lesen und Bearbeiten von PDF-Dateien ist mir nicht wichtig, weil ich hierfür eine separate App benutze (PDF Expert).

Was habe ich bislang ausprobiert?

Citationsy
Zunächst einmal fand ich die minimalistische Idee der App Citationsy sehr spannend.

Screenshot App Citationsy

Das Literaturverwaltungstool konzentriert sich darauf, Quellen aufzulisten und im gewünschten Zitierstil auszugeben. Über ein Notizfeld ist es möglich, Angaben jenseits der üblichen bibliografischen Daten einzugeben. Die Eingabe von Quellen wird dadurch erleichtert, dass über die Eingabe von identizierenden Zahlen (ISBN, DOI), Stichworten, Titelworten oder Autorennamen in ein Suchfeld Werke gefunden und deren Daten dann übernommen werden können. Das Tool organisiert die Literaturlisten in Form von Projekten. Die darin aufgelisteten Quellen können einzeln oder als Gesamtes exportiert werden. Die Dateneingabe wird über die Differenzierung der Eingabefelder nach unterschiedlichen Dokumentarten unterstützt. Verfügbar ist Citationsy in englischer Sprache für verschiedenste Systeme (iOS, Android, MacOS); auch die Nutzung über das Web ist möglich. Für die Browser Chrome und Firefox liegen Erweiterungen vor. Die Nutzung ist kostenlos; für erweiterte Funktionen, die bestimmte Exportformate oder auch Support beinhalten, ist der Abschluss eine Abonnemenst notwendig.

Zotero
Als weiteres plattformübergreifendes Tool habe ich Zotero ausprobiert und genutzt. Zotero gibt es als eigenständige, englischsprachige Software für Windows, Mac und Linux, kann aber auch über das Web benutzt werden. Eine eigenständige App für das iPad exisiert nicht. Zotero kann grundsätzlich kostenlos genutzt werden.

Screenshot Weboberfläche Zotero

Hinsichtlich seiner Funktionalität weist Zotero mehr Möglichkeiten als Citationsy auf. So können die bibliografischen Daten differenzierter eingetragen werden. Es ist möglich, neben einer Notiz auch ein Abstract einzufügen und Schlagworte (Tags) zu vergeben. Dateien können mit einem Werk verknüpft und in das Zotero-System hochgeladen werden (für umfangreicheren Speicherplatz mit mehr als 300 MB Umfang ist ein Abonnement notwendig). Die Eingabe einer Quelle kann über die Angabe einer identifizierenden Angabe (ISBN, DOI etc.) erleichtert werden. Die Organisation der eingegebenen Quellen erfolgt in Form von collections, es existiert aber auch eine Übersicht über alle collections hinweg. Über eine Suchfunktion können bestimmte Quellen selektiert werden. Bei der Ausgabe von Bibliografien kann aus einer Liste unterschiedlicher Zitationsstile gewählt werden.

Es wäre letztlich auch denkbar, mit meinem Mac mini eine Literaturverwaltungssoftware für MacOS zu nutzen oder gar durch die Verwendung einer Windows-Partition auf diesem Rechner eine Windows-Software wie Citavi. Derartige Lösungen sind für mich jedoch nicht sinnvoll, da ich das iPad ja gerade als ein Gerät betrachte und verwende, mit dem ich meine Daten immer überall dabei habe. Die Verbindung zu meinem Mac mini und damit zur entsprechenden Software würde allerdings nur im heimischen WLAN sinnvoll funktionieren.

Während ich dies schreibe wird mir deutlich, dass sowohl Citationsy als auch Zotero ihre Vorzüge aufweisen. Beide Tools werden kontinuierlich weiterentwickelt. Bei Zotero ist die Weboberfläche gerade erneuert worden, sie liegt momentan in einer Art Betaversion vor (siehe Abbildung). Der Entwickler von Citationsy arbeitet immer wieder an technisch-funktionalen Verbesserungen. Beide Tools sind optisch relativ aufgeräumt. Citationsy erscheint etwas übersichtlicher, wirkt im Handling jedoch etwas instabil. Zotero macht dagegen optisch einen etwas gedrungenen Eindruck, was allerdings an der Anpassung an das Browserfenster und dessen Größe liegen kann (auf einem großen Monitor sieht die Oberfläche nämlich großzügiger gestaltet aus). Im Handling ist Zotero gut und stabil.

Für mein neues Forschungsprojekt werde ich mich für eine der beiden Tools entscheiden (müssen). Sie ermöglichen jedenfalls beide das gemeinsame Arbeiten mit anderen an einer Literatursammlung. Die von meiner Hochschule promotete Lösung namens Citavi kann ich jedenfalls mit meinem iPad nicht nutzen (Citavi hat die Entwicklung eines webbasierten Angebots angekündigt, dies liegt allerdings noch nicht vor). So werde ich hoffentlich die involvierten Kolleg_innen dazu bewegen können, mit mir eines der beiden mit dem iPad verwendbaren Tools für unser Projekt zu nutzen.

Möglichkeiten, mit dem iPad eine Literaturverwaltung mit umfassendem Funktionsspektrum nutzen zu können, sind aus meiner Sicht momentan leider nicht gegeben. Wer eine Lösung sucht, um die identifizierte und genutzte Literatur mit ihren bibliografischen Daten zu sammeln, zu sortieren und für Veröffentlichungszwecke exportieren zu können, findet jedoch etwas. Citationsy und Zotero stellen dabei zwei Optionen dar, die eine mit eigener App für das iPad sowie einem Webzugang, bei der anderen ist der Webzugang nutzbar. Es existieren noch andere Apps, die ich jedoch nicht getestet habe und die mir für meinen Anwendungsbereich nicht passend erschienen.

Welche Erfahrungen habt Ihr mit Literaturverwaltung auf dem iPad gemacht?

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