Eine Pandemie verändert den Alltag. Es ist nicht mehr möglich, an der Hochschule zu arbeiten, geschweige denn, dort Lehrveranstaltungen durchzuführen. Das bedeutet für mich als Hochschullehrer, alternative Wege zu entwickeln, damit die Studierenden sich adäquat mit den wissenschaftlichen Gegenständen auseinandersetzen können, die ich in meinen Modulen für dieses Semester vorgesehen habe. Die Aufforderung zur Lektüre von ausgewählten und bereitgestellten Texten ergänze ich um Videos, in denen ich zur Sache Erläuterungen gebe. Diese Videos nenne ich jetzt mal Lehrvideos. Das erfordert nun die Produktion solcher Lehrvideos, die zunächst einen eher improvisierten, hemdsärmeligen Charakter haben mögen. Trotz allem bin ich froh, dass ich inzwischen ein technisches Equipment besitze (und momentan besonders wichtig: zuhause besitze), so dass ich diese Produktion vornehmen kann. Mein iPad Pro ist mir dabei ein besonders wichtiges Werkzeug. Es zeigt sich wieder: Der Weg #ipadonly ist ohne Kompromisse gehbar. Hier berichte ich über mein technisches Setup und mein bisheriges Vorgehen.
Die Idee
Die Idee ist eigentlich recht einfach. Über die Themen, die ich im Seminarraum erläutere und im Dialog mit den Studierenden kläre, diskutiere und bearbeite, spreche ich nun in Videos. Der Fokus liegt dann eben nicht mehr auf der Interaktion, sondern auf der alleinigen Erläuterung der Sache. Die Powerpoint-Folien, die im Seminarraum zum Einsatz kämen, blende ich dabei zur visuellen Unterstützung ein. Sie nehmen jedoch nicht den ganzen Bildschirm ein, sondern erscheinen in einer Ecke, damit im größten Teil des Bildes ich beim Sprechen zu sehen bin. Lehrendes Handeln ist für mich eine an den lehrenden Menschen gebundene Angelegenheit. Deshalb sollen meine Lehrvideos dazu beitragen, dass den Studierenden die Sache, um die es geht, darin über mich als Mensch begegnen kann. Die eingeblendeten Folien stellen lediglich eine visuelle Unterstützung meiner Rede dar (was sie auch im Seminarraum sonst tun).
Die Hardware: Videos filmen
Ich besitze keine Videokamera. Vielmehr nutze ich mein iPhone 11 für die Aufnahmen. Ich habe mir ein stabiles Kamerastativ besorgt, das ich aufgrund seiner kompakten Größe auch gut transportieren kann (Rollei Compact Traveler Aluminium). Einen entsprechenden Smartphone-Halter kann ich auf dem Stativ anbringen und mit einer Schraubklemme das iPhone sanft und stabil befestigen.
Für eine gute Tonaufnahme besitze ich ein kleines Mikrofon, das ich mir mittels eines magnetischen Clips am Hemd befestigen kann. Es ist das Memory Mic von Sennheiser, das speziell für die Verwendung mit Smartphones konzipiert wurde. Dieses Mikrofon hat den Vorteil, das ich bei der Aufnahme unabhängig von der Entfernung zur Kamera bzw. zum iPhone bin. Die Audiodatei wird im Mikrofon gespeichert. Erst wenn die Aufzeichnung beendet ist, wird die Datei auf das Handy übertragen und von einer speziellen App mit dem Videobild synchronisiert.
Nun steht mir die Hochschule als Ort für die Aufnahmen nicht zur Verfügung, das Betreten ist momentan nicht erwünscht. Also muss ich einen geeigneten Ort in meiner Wohnung finden. Das ist nicht ganz so einfach. Letztlich habe ich erstmal einen Platz eingerichtet, der im Hintergrund weiße Tapete zeigt. Davor habe ich einen Stuhl platziert. Links und rechts sieht man allerdings Dinge, wie sie eben in Wohnungen zu sehen sind: Links im Bild ist ein Teil des Flurs zu sehen, an der Wand ein Auf-Putz-Kabel, ein Lichtschalter und eine Steckdose. Rechts sieht man einen Teil einer Zwischentür mit Glas und Teile des Katzenkratzbaums. Das ist jetzt nicht sehr professionell, aber der momentan beste Platz. Ich gehe davon aus, dass eine normale Präsenzlehre zeitnah nicht so schnell wieder stattfinden wird und ich noch einige Videos produzieren werde. Also habe ich mir jetzt einen grünen Stoff-Hintergrund bestellt, vor dem ich die Videos aufnehmen werde. Die Wahl fiel deshalb auf die Farbe grün, um später mit der Greenscreen-Technik ein professioneller wirkendes Hintergrundbild einblenden zu können. Das müsste bei der Größe des Hintergrunds gut funktionieren (2,40 x 2,40 Meter). Ich möchte auch ausprobieren, wie das Video wirkt, wenn ich nicht in einem Stuhl sitze, sondern stehe und eine kleine Säule als Ablage nutze.
Die Software: Videos schneiden
Damit wäre meine Aufnahme-Hardware schon einmal vorhanden. Jetzt braucht es noch die Software, mit der das Video selbst erstellt werden kann. Für die Video- und Tonaufnahme nutze ich eine App von Sennheiser, damit ich Ton und Bewegtbild miteinander synchronisieren kann. Diese App funktioniert relativ gut. Lediglich holpert es manchmal beim Download der Audiodatei auf das iPhone, da braucht es hin und wieder mehrere Anläufe. Und die Synchronisierung von Bild- und Tondatei selbst dauert auch recht lange, das Ergebnis ist jedoch hervorragend.
Für das Erstellen des eigentlichen Videos nutze ich die App Lumafusion. Von der Apple-eigenen App iMovie bin ich ob des geringen Funktionsumfangs recht enttäuscht. Die bezahlpflichtige App Lumafusion ist dagegen ein Gigant für die Videoproduktion und ist perfekt auf das iPad abgestimmt. Und zwar nicht im Sinne vieler anderer Apps, die nicht nur die Funktionen vereinfachen sondern auch noch simplifizierend reduzieren. Vielmehr wird die Power des iPads (Pro) genutzt und die Touchbedienung bei allem Detailreichtum konsequent ausgereizt. Mein bisher entwickelter Workflow gestaltet sich folgendermaßen: Zunächst importiere ich die Videodatei mit meinem Vortrag. Dann schneide ich den Film so zurecht, dass Anfang und Ende stimmen und unerwünschte Teile entfernt werden. An den Stellen, an denen ich eine neue Folie einblenden möchte, setze ich einen Zeitmarker. Nach dieser ersten Bearbeitung füge ich die Folien an den gesetzten Zeitmarkern ein. Diese habe ich als Fotodateien vorliegen. Ich füge sie als zweite Bildebene ein und verkleinere sie derart, dass sie in der rechten oder linken oberen Ecke zu sehen sind. Damit nehmen sie ca. ein Viertel des Bildraumes ein. Teilweise füge ich noch weitere informierende Schrifteinblendungen ein. Die App erlaubt auch Greensceen-Effekte, die ich jetzt ausprobiere. So werde ich mal schauen wie es aussieht, wenn die Folien mehr oder weniger den ganzen Hintergrund einnehmen und ich lediglich an der Seite stehend dazu etwas sage. Damit ist das Video eigentlich auch schon fertig. Ich lasse die App eine Videodatei erstellen, die ich in das Lernmanagementsystem ILIAS hochladen kann. Außerdem sichere ich die appspezifische Projektdatei gesondert für spätere Weiterverarbeitungen.
Da Safari als Webbrowser seit iPadOS Version 13 eine vollständige Internetseitendarstellung standardmäßig ermöglicht und damit auch der volle Funktionsumfang von Internetseiten zur Verfügung steht, kann ich das Importieren der Videodatei und das Bearbeiten des Mediacasts in ILIAS mühelos vornehmen.
Wenn ich das Prozedere hier so beschreibe wird mir deutlich, wieviel Aufwand alleine in organisatorisch-materiell-technischer Hinsicht beim Produzieren eines Videos für die Studierenden besteht. Auch das Sprechen des Beitrags ist in gewisser Weise anstrengend, da mir schon die sonst übliche Resonanz der Zuhörenden im Seminarraum fehlt. Aber ich stelle auch fest, dass ich dieses für mich Neue sehr spannend finde. Es macht mir auch Spaß, Überlegungen zur Verbesserung der Professionalität anzustellen und mich mit technischen Fragen auseinanderzusetzen (z.B. der guten Beleuchtung). Und es ist spannend zu sehen, dass mit dieser neuen Aufgabe mein iPad Pro weiterhin das passende Gerät darstellt und ich alles damit bearbeiten kann. #ipadonly funktioniert weiterhin.