Es gibt Dinge in der Küche, die braucht man zwingend und es gibt Dinge, die wären auch entbehrlich. Zu letzteren Dingen gehört meine Löffelablage. Ich könnte auch einen Teller nehmen oder einen Deckel oder ein Tuch – mit meiner Löffelablage macht Löffelablegen aber noch mehr Spaß. Es fühlt sich einfach gut an beim Kochen.
Die Löffelablage hat – im Gegensatz zu vielen anderen Löffelablagen, die im Internet bei einer einfachen Google-Abfrage angezeigt werden – keine Löffelform. Sie hat die Form von zwei tellerartigen runden Flächen, die durch einen Steg miteinander verbunden sind und erinnert dabei an das Unendlich-Zeichen. Ich habe die Version in tiefblauer Farbe. Als ich die Löffelablage erwarb, war ich regelmäßiger Besucher von Tupperware-Parties. Seinerzeit führte die Firma Tupperware eine Recycling-Linie ein. Gebrauchte, zurückgegebene Tupperware-Produkte wurden hierfür zerkleinert und zu neuen Produkten verarbeitet. Es gab neben den in blau und schwarz erhältlichen Löffelablagen auch Kartoffelbehälter und Abfallbehälter – wenn ich mich richtig erinnere; heute gibt es die Produktlinie nicht mehr. Ich kaufte die Löffelablage damals, weil ich sie schick fand. Vielleicht wollte ich der Gastgeberin der Tupperparty auch zu ein paar Sternen mehr verhelfen. Auf jeden Fall dachte ich, damit den Wiederverwertungsgedanken (heute wohl als Nachhaltigkeit bezeichnet) zu unterstützen. Und in der Tat: Sie ist heute noch in Gebrauch in meiner Alltagsküche.
„Praktisch ist sie schon.“, sagt mein Freund. Das finde ich auch; sein Satz drückt die Eigenschaft der Löffelablage gut aus. Lange Löffel können dort vollständig abgelegt werden (siehe Foto). Aber auch mehrere Rührinstrumente gleichzeitig können in die zwei Mulden platziert werden. Dazu gehören auch Schneebesen, Holzlöffel oder Kellen. Und warum das Ganze? Weil die Utensilien damit an einem Platz abgelegt werden. Die leichte Erhöhung der Löffelablage lässt ein stabiles Ablegen zu. Und die Arbeitsfläche ist weniger schnell schmutzig.
Ich könnte auch einen Teller nehmen oder einen Deckel oder ein Tuch. Mit der Löffelablage ist Löffelablegen aber schlicht schöner.
Ich habe eine Beobachtung gemacht, was meine Beziehung zu Mengenangaben in Rezepten angeht. Lange Zeit hielt ich mich äußerst akkurat an die Vorgaben in der Zutatenliste oder den Zubereitungsangaben. Wieviel Kilogramm oder Milliigramm, wieviel Milliliter oder Esslöffel einer Sache als benötigt angegeben sind, wurde von mir peinlichst genau beachtet. Mit der Zeit lernte ich jedoch, dass die Akkuratheit dieser Angaben schon rational betrachtet nicht passen kann, da sich die Mengenverhältnisse auch der anderen Zutaten immer wieder anders verhalten. Exakt zehn Gramm von etwas auf ein Gemüse, das in seinem verarbeitungsfähigen Zustand ein immer unterschiedliches Gewicht aufweist, stellt einen Widerspruch dar. Aber ich lernte auch, dass sich der Kochvorgang selbst und die Zustände der Zutaten jedes Mal anders zeigen. Einerseits variiere ich beim selben Gericht von Mal zu Mal, andererseits verhalten sich die Zutaten beim Schneiden, in der Pfanne oder im Topf immer wieder unterschiedlich. Mal kommt noch eine weitere Gemüsesorte mehr in das Gericht, was die Gesamtmasse verändert; mal fällt eine Zutat in der Pfanne beim Braten mehr in sich zusammen als bei vorherigen Zubereitungen. Mengenangaben und das Kochen selbst stellen also irgendwie eine widersprüchliche Einheit dar. Sie gehören immer zwingend zusammen, wollen aber eigentlich nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben.
Nun finden sich in einer meiner Küchenschubladen Messlöffel, die vor dem Hintergrund des eben Beschriebenen eine interessante Mittlerfunktion einnehmen. Die blauen Löffel haben eine Füllmenge von 1, 2, 5, 15 und 25 Milliliter. Praktischerweise kann man sie an einem Ring gemeinsam befestigen, damit sie nicht lose irgendwo herumfliegen; in der Schublade tun sie aber natürlich genau dies regelmäßig. Sie sind aus Kunststoff und ich habe die fünf Löffel irgendwann einmal auf einer Tupperparty gekauft.
Mit den Messlöffeln kann ich also Flüssigkeiten recht exakt abmessen. Besonders interessant finde ich dies beim 15-Milliliter-Löffel. Das ist eigentlich die Menge, die mit einem deutschen Esslöffel gemeint ist. Sollte ein Rezept also einen Esslöffel von irgendetwas ausweisen, müsste damit die Menge von 15 Millilitern gemeint sein, die ich wiederum mit diesem Löffel abmessen kann. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass die meisten Rezepteschreiber*innen andere Esslöffel meinen müssen. Oftmals sind 15 Milliliter zuviel und alles ist gleich flüssiger als gewollt oder geschmacklich zu sehr in eine Richtung gedrängt. Eine weitere Herausforderung stellen englischsprachige Rezepte dar. Der amerikanische Esslöffel beinhaltet ein Volumen von rund 17 Millilitern, der britische Esslöffel dagegen lediglich rund 14 Milliliter. Auch hier stellt sich dann letztlich die Frage, ob die Rezepte auch tatsächlich diese Mengen meinen. Esslöffel ist also hinsichtlich des Volumens nicht gleich Esslöffel, weder besteck- noch landesübergreifend.
Wenn ich auf meine oben angesprochene Beobachtung zurückkomme, stelle ich fest, dass diese von Exaktheit geprägten Unterschiede mir inzwischen relativ egal geworden sind. Letztlich geht es bei den Mengenangaben wohl eher um Verhältnisangaben. Ein Esslöffel Öl in der Pfanne ist halt etwas weniger Öl als zwei Esslöffel Öl; es geht dabei nicht um 15 oder 30 Milliliter. Die Verwendung eines einheitlichen Maßes beim Kochen ist wiederum hilfreich, wenn ich Mengenverhältnis verschiedener Zutaten beachten möchte. Wenn mein Salatdressing beispielsweise 4 Esslöffel Essig, 4 Esslöffel Wasser und 4 Esslöffel Öl beinhaltet, ist es eigentlich egal, ob es nun viermal 15 oder 25 Milliliter Flüssigkeit sind. Ich habe jeweils nur eine unterschiedliche Gesamtmenge, das Verhältnis der einzelnen Flüssigkeiten zueinander stimmt jedoch.
Die Verwendung von Messlöffeln beim Kochen kann also als ein in sich widersprüchliches Ding bezeichnet werden. Der Messlöffel vereint die Exaktheit des Vermessens mit der Unterstützung eines von Unplanbarkeit und Kreativität beherrschten Vorgangs.
Sehr schön formulierte es Christian Rach im sechsten Artikel seiner Kochgesetze.
„Probieren geht über Studieren: Mengenangaben, Zeiten und Temperaturen sind keine Garantie für das Gelingen, sondern immer nur ‚in-etwa‘-Hinweise.“
(Christian Rach: Das Kochgesetzbuch. 2. Auflage. Hamburg: edel. S. 9)