Deutsche Medien und der Eurovision Song Contest – ein Einwurf

Warum sind die deutschen Medien derartige Spaßverderber? Jedes Jahr beobachte ich die gleiche Situation. Der Eurovision Song Contest (ESC) steht bevor bzw. wird ausgestrahlt und die Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien ziehen darüber her. Ok, mit dem diesjährigen Gastgeberland Aserbaidschan war es auch nicht einfach – die Menschenrechtssituation ist dort überaus kritisch zu beurteilen. Die Kritik der Medien bezieht sich jedoch jedes Jahr auf das gleiche Thema: Die Musik sei zu oberflächlich. Die Süddeutsche Zeitung (die ich überaus schätze) spricht gar von einem „Trällerwettbewerb“. Als Liebhaber dieses internationalen Musikwettbewerbs geht mir diese auch von anderen Medien geäußerte Kritik immer wieder zu weit.

Während sich der ESC musikalisch und hinsichtlich der teilnehmenden Länder immer weiter entwickelt, verbleiben die Redakteure der deutschen Presse augenscheinlich immer noch in den achtziger Jahren, in der eine Sängerin namens Nicole für Deutschland gewann und die Musik einen eher schlagermäßigen Charakter darbot.

Die Kategorie „Schlager“ ist beim ESC nicht mehr existent. Wenn man die vielfältigen und durchaus unterschiedlichen musikalischen Darbietungen unter einem Begriff fassen möchte, dann müsste dieser eher „Pop“ bzw. „populäre Musik“ lauten. In jedem Land werden Musiker und Musikstücke ausgewählt, denen man einen potentiellen Erfolg im internationalen Musikreigen zuschreibt. Die Musikgeschmäcker sind hierbei natürlicherweise sehr unterschiedlich. Der ESC ist ein Wettbewerb, bei dem man sozusagen Äpfel mit Birnen vergleicht. Denn Balladen, Popmusik, Discomusik, Alternativmusik oder Rockmusik sind objektiv nicht wirklich vergleichbar. Was zählt, ist die Aufmerksamkeit und Berührtheit des Publikums, das sich die Lieder anhört und die Auftritte der Künstlerinnen und Künstler auf sich wirken lässt.

Ein Wettbewerb, der Teilnehmer aus über vierzig Ländern zusammenbringt, verdient eine gewisse Form der Achtung. Dass der ESC die größte Musikveranstaltung der Welt ist, sei hierbei nur am Rande erwähnt.

Der augenscheinliche Hang zur Simplifizierung scheint deutsche Medien dahin zu treiben, dass sie in einer Art Schwarz-Weiß-Denken eine eigenartige Verortung der dargebotenen Musik zwischen U- und E-Musik leisten. Der ESC will zunächst nichts anderes sein als Unterhaltung. Er will aber auch keine komprimierte Fassung des Radio-Mainstreams sein. Insofern gilt es, die Anstrengungen der teilnehmenden Länder zu achten, ihren jeweiligen Interpreten und Song auszuwählen. Insofern gilt es, die dargebotenen Musikstücke zu würdigen als Ausdruck nationalen Musikgeschmacks und Siegerwillens.

Für die Berichterstattung über den ESC würde ich mir wünschen , dass nicht die schlechte Nachricht das Berichtenswerte ausmachte, sondern die Freude an den Unterschieden und der musikalischen Verbundenheit der teilnehmenden Künstler.

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