Nicht nur in privater, auch in beruflicher Hinsicht wird sie benötigt: Eine Heimat. Es geht um Herkunft, um Zugehörigkeit, um eine Gemeinschaft von Menschen, mit denen gemeinsame Werte und Ideen geteilt werden. Schon länger habe ich mich in diesem Zusammenhang gefragt, zu welchem Verein bzw. Verband ich mich zugehörig fühlen kann und welche Organisation die mir beruflich wichtigen und essentiellen Themen vertritt. Als Krankenpflegegewächs mit pädagogisch und pflegewissenschaftlich orientierten Weiterbildungen und Studiengängen fand ich diese Frage schwierig zu beantworten. Welche Optionen stehen mir zur Verfügung?
Zunächst einmal war es naheliegend, an einen pflegerischen Berufsverband zu denken. Beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) war ich lange Zeit Mitglied. Aber bin ich noch ein Krankenpfleger? Ich teile zwar – auch leidenschaftlich – viele Anliegen pflegerischer Berufspolitik, insbesondere die Verbesserung der Personalsituation und die Professionalisierung der Pflegeberufe im Kontext der Gesamtheit der Gesundheitsberufe. Aber ich stehe nicht mehr – wie es so schön heißt – am Bett. Meine berufliche Wirklichkeit nimmt zwar Bezug auf die Situation der direkten Versorgung von Patienten/Bewohnern/Klienten, ist aber nicht mehr direkt von ihr geprägt. Ich stehe oder sitze im Seminarraum der Hochschule und arbeite mit Studierenden zu den Gegenständen der Anbahnung von Kompetenzen von Pflegenden, um diese direkte Versorgung adäquat durchführen zu können.
Zweitens überlegte ich mir dementsprechend, ob nicht eine pflegewissenschaftliche Fachgesellschaft eine verbandspolitische Heimat für mich darstellen könnte. Die Pflegewissenschaft stellt immerhin eine wesentliche Bezugsdisziplin von Lehrenden an Schulen für Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege dar. Also schaute ich mich noch einmal (ich war schon einmal kurzfristig Mitglied dort) bei der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) um. Der für mich wichtige berufliche Bereich – die Bildung – kommt mir dort allerdings etwas zu kurz. Zwar existieren zwei bildungsorientierte Sektionen (Hochschullehre Pflegewissenschaft / Bildung), diese wirken mir im Reigen der insgesamt elf Sektionen allerdings eher als ein Appendix denn als ein Schwerpunkt der verbandlich-fachlichen Arbeit.
Im Verlaufe der Auseinandersetzung wurde mir immer deutlicher, wofür mein beruflich-fachliches und berufspolitisches Herz schlägt: Für die Pädagogik, im Speziellen die Pflegepädagogik. Diese Thematik ist meines Erachtens weder beim DBfK noch bei der DGP in mir ausreichendem Maße gegeben. Nicht in einem Maße jedenfalls, das mir ein „Heimatgefühl“ beruflich-verbandlicher Art geben könnte. Insofern erweiterte ich meinen Betrachtungshorizont, entfernte pflegerisch determinierte Scheuklappen und schaute gezielter auf eine Fachgesellschaft, die die Pädagogik in all ihren Facetten im Fokus hat: Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE).
Bei diesem Schauen entdeckte ich eine Fachgesellschaft, die weniger auf Quantität hinsichtlich der Mitgliederzahl bedacht ist. Vielmehr gilt augenscheinlich ein Gebot der Qualität. Mitglieder dieser Fachgesellschaft haben einen entsprechenden Karriereweg vorzuweisen (inklusive Promotion) und befinden sich beruflich im Feld der Erziehungswissenschaft. In dreizehn Sektionen und einundzwanzig Kommissionen werden die vielfältigen Gebiete dieser Disziplin bearbeitet. Und das von rund 3.000 Mitgliedern bundesweit.
Dort vermute ich am ehesten meine beruflich-verbandliche Heimat. Denn als Praxisreferent und Lehrender an einer Hochschule im Bereich pflegepädagogischer Studiengänge ist mein beruflicher Fokus dort Verbandsfokus. Insofern habe ich mich um eine Mitgliedschaft beworben. Als Mensch, der sich noch im Prozess des Promovierens befindet, wird mir bei der DGfE eine „assoziierte Mitgliedschaft“ ermöglicht, die sich in eine normale Mitgliedschaft umwandelt, wenn das Promotionsverfahren abgeschlossen ist. Neben einer Darlegung der relevanten Veröffentlichungen benötigte ich zwei unterstützende Unterschriften von DGfE-Mitgliedern. Auf diese Weise wird wohl eine Art Qualitätskontrolle ermöglicht und dies erklärt auch, warum die bedeutendste Fachgesellschaft für Erziehungswissenschaft in Deutschland keine sensationellen Mitgliederzahlen aufweist. Ich freue mich umso mehr, dass mein Antrag auf (assoziierte) Mitgliedschaft bewilligt wurde.
In Zukunft werde ich also in diesem Verband mitwirken. Ich habe mich zwei Sektionen zugeordnet. Zum einen ist dies die Sektion „Berufs- und Wirtschaftspädagogik“, die sich primär mit der beruflichen Bildung beschäftigt und interessanterweise auch viele Mitglieder aufweist, die mir aus diversen Veröffentlichungen zu pflegepädagogischen Themen bekannt sind. Zum anderen habe ich mich der Sektion „Schulpädagogik“ zugeordnet, dort im Speziellen der Kommission für „Professionsforschung und Lehrerbildung“. Mit diesen beiden Zuordnungen wird eigentlich genau das Gebiet abgesteckt, das für mich beruflich relevant ist: Die Lehrerausbildung für die Pflegeberufe und die berufliche Ausbildung in den Pflegeberufen. Ich bin sehr gespannt auf die Möglichkeiten, die sich mir mit meiner Mitgliedschaft eröffnen. Themen diskutieren, neue Personen kennenlernen und das eigene Netzwerk erweitern sind Aspekte, die mich besonders interessieren.
Und auch, wenn sich mein „pflegerisches Gewissen“ meldet: Nein, ich gehe nicht fremd oder verleugne meine pflegerische Herkunft. Wichtig ist es für mich, meine Erfahrungen und Erkenntnisse aus eben diesem pflegerisch-pädagogischen Feld in eine angestammte Diskursgemeinschaft mit anderen und auch traditionellen Perspektiven einzubringen, um davon zu lernen und gleichzeitig zu einer Perspektiverweiterung beizutragen.
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